Positionserklärung zur Besatzdichte als Indikator für das Wohlergehen von Fischen
November 15, 2024
Zuletzt aktualisiert am 12. November 2024
Gibt es im ASC-Programm einen festen Grenzwert für die Besatzdichte bei Fischen und Meeresfrüchten?
Die wissenschaftliche Gemeinschaft ist sich einig, dass Besatzdichte allein nicht als eigenständiger Indikator für das Wohlbefinden der Tiere herangezogen werden sollte. Mehrere Studien deuten darauf hin, dass wenn die Besatzdichte zusammen mit anderen Parametern (z. B. Wasserqualität, Fütterung, Sauerstoffgehalt) gesteuert wird, je nach Spezies und System auch hohe Dichten Teil guter Tierwohlpraktiken sein können. Deshalb schreibt der ASC keinen festen Grenzwert für die Besatzdichte in Aquakulturen vor.
Der ASC hat Standards für eine Vielzahl von Arten, die von tropischem Barramundi bis hin zu Lachs und Garnelen reichen – alle mit unterschiedlichen Bedürfnissen. Diese Vielfalt und Komplexität machen einen einheitlichen Wert für alle Arten und Zuchtsysteme wenig hilfreich, wenn es um das Wohlergehen von Tieren geht. Unser neuer Farmstandard verfolgt einen ganzheitlicheren Ansatz – weitere Einzelheiten finden Sie weiter unten.
Oft wird das Wort „Fisch“ verwendet, um eine Vielzahl von Tieren mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften und Anforderungen zu beschreiben. Man kann die Zucht eines Lachses nicht mit der eines Pangasius vergleichen, ebenso wenig wie man die einer Kuh und eines Huhns vergleichen kann – tatsächlich sind eine Kuh und ein Huhn enger miteinander verwandt als ein Lachs und ein Pangasius!
Einige Aktivisten konzentrieren sich auf die Besatzdichte, und wir verstehen, dass dies leicht vorstellbar und emotional ist – für uns Menschen gibt es nichts Schlimmeres, als in der Hauptverkehrszeit in einem überfüllten Zug zu stehen. In Bezug auf Fische ist das Bild aber komplexer – natürlich können Fische ab einer bestimmten Dichte Schaden nehmen, aber bei einigen Arten kann eine zu geringe Dichte dem Wohlergehen abträglich sein und aggressives Verhalten verursachen. Andere leben von Natur aus in Schwärmen zusammen und können so auf Bildausschnitten den Eindruck vermitteln, wenig Platz zu haben.
Deshalb haben wir uns dazu entschieden einen Ansatz zu verfolgen, der berücksichtigt, was die einzelnen Arten wirklich brauchen, und die Umweltbedingungen und Besonderheiten eines bestimmten Systems oder Standorts zusammen betrachtet.
Was sagt der neue ASC-Farmstandard über die Besatzdichte aus?
In unserem ganzheitlichen Ansatz ist die Besatzdichte einer der vielen integralen Bestandteile, die im Rahmen des Gesundheits- und Tierwohlmanagementplans (HWMP) im neuen ASC-Farmstandard berücksichtigt wird.
So muss deren Bewertung auf Grundlage verschiedener betrieblicher Tierwohlindikatoren (OWIs) (Wasserqualität, morphologische Bewertung, Verhaltensbewertung und Mortalität) erfolgen.
Wenn bei einem dieser Indikatoren ein negativer Trend beobachtet wird, muss der Betrieb seine Zuchtmethoden, einschließlich der Besatzdichte, überprüfen und entsprechend anpassen.
Dieser Ansatz ist besser geeignet, als die Festlegung eines festen Grenzwerts, da genaue und zuverlässige Dichteangaben in der Aquakultur oft schwer zu erhalten sind und je nach Fischart, Lebensstadium und Zuchtmethode variieren.
Was sagt die Wissenschaft über Besatzdichte und das Wohlergehen von Fischen?
Die Arbeit des ASC spiegelt fortlaufend die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse wider. So steht auch unser Ansatz, bei dem sowohl umwelt- als auch tierbasierte Indikatoren zur Bewertung des Tierwohls verwendet werden, im Einklang mit der aktuellen Forschung.
Mehrere Studien, darunter die unten zitierten, haben gezeigt, dass die Besatzdichte allein kein eindeutiger Indikator für das Wohlergehen von Fischen in der Aquakultur ist. Die Auswirkungen der Besatzdichte auf das Wohlergehen werden stark von anderen Faktoren beeinflusst, wie z. B. der Wasserqualität, den Fütterungsraten und den artspezifischen Bedürfnissen.
Beispielsweise wurde nachgewiesen, dass die Auswirkungen der Besatzdichte auf das Tierwohl stark durch das Management von Umweltfaktoren, wie z. B. Sauerstoffgehalt, Wasserfluss und Verfügbarkeit von Futter, beeinflusst werden. Eine schlechte Handhabung dieser Faktoren kann unabhängig von der Besatzdichte zu Stress und Krankheiten führen.
- Saraiva, Joao & Rachinas-Lopes, Patrícia & Arechavala-Lopez, Pablo. (2022). Finding the „golden stocking density“: A balance between fish welfare and farmers‘ perspectives. Frontiers in Veterinary Science. 9. 10.3389/fvets.2022.930221.
- Saraiva et al. (2022) weisen darauf hin, dass die komplexe Beziehung zwischen Fischwohl, Besatzdichte und Einflussfaktoren es schwierig macht, eine spezifische optimale („goldene“) Besatzdichte zu definieren. Es ist schwierig, Mindest- und Höchstwerte für die Besatzdichte festzulegen, die das Wohlergehen der Fische schützen. Es besteht jedoch kaum ein Zweifel daran, dass zu niedrige oder zu hohe Besatzdichten negative Auswirkungen auf das Wohlergehen und/oder die Produktion haben können, wenn sie nicht richtig gehandhabt werden.
- Jia, R.; Wang, L.; Hou, Y.; Feng, W.; Li, B.; Zhu, J. Auswirkungen der Besatzdichte auf die Wachstumsleistung, die physiologischen Parameter, den Redoxstatus und den Lipidstoffwechsel von Micropterus salmoides in integrierten Reis-Fisch-Anbausystemen. Antioxidantien 2022, 11, 1215.
- Jia et al. (2022) erwähnen auch einige Systeme, wie die integrierte Reis-Fischzucht, bei denen höhere Besatzdichten ohne schwerwiegende Probleme für das Wohlergehen der Tiere eingesetzt werden können, solange andere Parameter streng kontrolliert werden. Fische in solchen Systemen können dennoch gedeihen, wenn die Wasserqualität, der Sauerstoffgehalt und die Fütterungspraktiken optimiert werden, um Überfüllungseffekte zu verhindern.
- Darüber hinaus schlagen dieselben Autoren vor, die Besatzdichte neben anderen Indikatoren für das Wohlergehen der Tiere zu berücksichtigen und nicht als alleiniges Maß für das Wohlergehen der Fische zu betrachten.
- Der Bericht „Animal Welfare of Farmed Fish“ (Tierschutz von Zuchtfischen) des Europäischen Parlaments vom Juni 2023 betont, wie wichtig es ist, die Besatzdichte zusammen mit anderen Tierschutzindikatoren zu berücksichtigen, um das Wohlergehen der Fische zu schützen. Der Bericht hebt die Herausforderungen hervor, die mit unangemessenen Besatzdichten verbunden sind, und weist insbesondere auf Probleme wie Flossenfraß, vermindertes Wachstum und erhöhte Aggressivität bei Jungfischen hin. Darüber hinaus wird auf die Risiken einer niedrigen Sauerstoffsättigung bei hohen Temperaturen und Dichten hingewiesen. Der Bericht schlägt zwar vor, dass die Fischdichte als Indikator für das Wohlergehen von Post-Smolts herangezogen werden kann, gibt jedoch keine genaue empfohlene Besatzdichte (z. B. einen Schwellenwert von XX kg/m³) für Arten wie Lachse an.
- Dieser Ansatz steht im Einklang mit der ASC-Methodik, mehrere operative Tierschutzindikatoren (OWIs) in ihre Standards zu integrieren, die auf die besonderen Bedürfnisse verschiedener Arten und Zuchtanlagen zugeschnitten sind, anstatt einen pauschalen Standard anzuwenden.
Unterstützen Tierschutzgruppen die Position von ASC zur Besatzdichte?
- Die FishEthoGroup (FEWG) ist eine gemeinnützige Organisation, die sich auf die Verbesserung des Wohlergehens von Fischen auf der Grundlage ihres Verhaltens und die Überbrückung der Lücken zwischen Wissenschaft und Aquakultursektor konzentriert. Die FEWG hat mit dem ASC zusammengearbeitet, um sicherzustellen, dass unsere Tierschutzstandards die neuesten wissenschaftlichen Forschungsergebnisse und bewährten Verfahren widerspiegeln und eine solide wissenschaftliche Grundlage für Verbesserungen des Tierschutzes in der Aquakultur bieten.
- Der ASC und Compassion in World Farming (CIWF) sind ebenfalls Partner der FEWG und teilen das Engagement für die Verbesserung der Tierschutzpraktiken. Der positive Einfluss von CIWF, insbesondere in Bezug auf Themen wie tiergerechte Schlachtung und Tierschutzindikatoren, steht in engem Zusammenhang mit den Zielen von ASC. Diese Zusammenarbeit stärkt die Glaubwürdigkeit und Wirkung unserer Tierschutzinitiativen und trägt zu einem breiteren Fortschritt in der Branche bei.
- Die EuroGroup for Animals hat die Ergebnisse des oben erwähnten Berichts des Europäischen Parlaments begrüßt und dabei insbesondere Bedenken hinsichtlich „unangemessener Besatzdichten“ geäußert. Sie betonen, dass die Besatzdichte sorgfältig gesteuert werden muss, um negative Auswirkungen auf das Wohlergehen zu vermeiden, und setzen sich für flexible Standards ein, die die artspezifischen Bedürfnisse und den allgemeinen Managementkontext berücksichtigen. Dieser differenzierte Ansatz steht im Einklang mit den jüngsten wissenschaftlichen Diskussionen, die vor einer Einheitsgröße warnen.
- Das Aquatic Life Institute (ALI) hat den ASC-Farmstandard an die Spitze seines Benchmark-Tools für tierschutzbasierte Aquakultur-Zertifizierungen für 2024 gesetzt. Das Tool analysiert die aktuellen Tierschutzanforderungen innerhalb der primären Zuchtstandards von acht globalen Zertifizierungssystemen für Meeresfrüchte und 1 internationalen Ratingagentur. Zu den Bewertungsbereichen gehören Wasserqualität, Besatzdichte und Platzbedarf, Umweltanreicherung, Futterzusammensetzung, Betäubung und Schlachtung, Verbote vernachlässigter Arten und weitere Aspekte. Der ASC belegte auch in der Ausgabe 2023 des ALI-Benchmarks den ersten Platz.
Wie treibt der ASC den Fortschritt in diesem Bereich voran?
Der ASC hat eine Arbeitsgruppe einberufen, der einige der weltweit führenden Wissenschaftler und Interessenvertreter angehören, darunter eine große Tierschutzorganisation, um die Besatzdichte und andere Tierschutzfragen zu untersuchen und zu diskutieren. Dieser Multi-Stakeholder-Ansatz stellt sicher, dass die ASC-Standards auf dem neuesten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse bleiben.
Die Gruppe konzentriert sich derzeit darauf, zur Entwicklung eines Interpretationshandbuchs beizutragen, das die Umsetzung des kommenden Farmstandards unterstützen soll, einschließlich einer Empfehlungstabelle mit Überlegungen zur Besatzdichte. Da der ASC nach einem Modell der kontinuierlichen Verbesserung arbeitet, wird sich die Gruppe nach der Einführung des Farmstandards vierteljährlich treffen, um neue Maßnahmen zum Tierwohl oder mögliche Änderungen der bestehenden Informationen zum zu besprechen, die für die Aufnahme in zukünftige Aktualisierungen des Farmstandard in Betracht gezogen werden könnten.